Es gibt viel, was man in meinem Beruf für seinen Arbeitgeber tun kann. Eigentlich geht immer irgend etwas. Eigentlich. Es gibt nämlich auch totale Hilflosigkeit. Die habe ich genau ein mal erlebt.
Am 1. Juni 2003 wechselte ich vom Bundesjustizministerium zum Zentralrat der Juden in Deutschland. Das war nach dem Wechsel an der Spitze des Ministeriums notwendig geworden, denn die neue Ministerin hegte ein tiefes Misstrauen gegen alle Vertrauten ihrer Vorgängerin. Herta Däubler-Gmelin hatte mich mit Michel Friedmann bekannt gemacht, und der bot mir den Job im Zentralrat an.
Ich war zwei Wochen dort und hatte den Vizepräsidenten noch nicht ein mal gesehen. Ich versuchte, mich so gut es ging einzuarbeiten und einen Zugang zu den Menschen dort zu bekommen – nicht einfach, sage ich nur. Mein Büro hatte ich sehr provisorisch in einem Konferenzraum errichtet, ich kämpfte mit dem jüdischen Kalender, dem System der Archivierung und mit einer verwirrenden Vielfalt von neuen Namen und Begriffen. Den Nachrichtenticker von dpa hatte ich in meinem Internetbrowser immer offen. Und dort sah ich dann die Nachricht: Drogenfund beim Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden. Zunächst gab es natürlich noch so etwas wie professionelles Handeln. Die Meldung ausdrucken und zum Chef stürmen, ihn danach mit den sich überschlagenden und immer unappetitlicheren Einzelheiten versorgen, das verdeckte erst einmal die Hilflosigkeit.
Danach verbrachte ich Tage damit, Anrufe abzuwimmeln. Meine größte Sorge war, dass ein Journalist mich mit irgendeinem Satz, und sei es auch nur ein belangloses „das kann ich Ihnen nicht sagen“ zitieren würde. Ich versuchte, mit den Kopf über eine mögliche Stellungnahme zu zerbrechen. Aber die Entscheidung war, nicht Stellung zu nehmen. Und vielleicht war die auch richtig. Denn alles was mir eingefallen war, war auch nicht besser als nichts.
Heute nennt man so etwas Shitstorm. Ich finde, das trifft es.