Als Pressesprecherin in einem Bundesministerium lernt man die Maschinen der Macht von innen kennen. Eines der vielen Rädchen, das die Maschine am Laufen hält ist eine altertümlich aussehende, aber doch abhörsichere und damit technisch vermutlich nicht ganz triviale Anlage, mit der die Pressereferate ihre morgendliche Konferenz abhalten. Es war ein Kasten im Büro unseres Chefs Thomas Weber, aus dem ein Mikro ragte. Er wies Leuchtknöpfe für jedes Ressort auf, und einen Knopf, den man drücken musste, um zu sprechen und von den anderen gehört zu werden.
Die Sprecherkonferenz begann um 10, mehr oder weniger pünktlich. Wenn der Kasten die Stimme des Regierungssprechers und Leiters des Bundespresseamtes vernehmen ließ, rief Thomas „es geht los“ und wir Stellvertreter stürmten aus unseren immer offenen Türen in sein Büro. Reihum war einer von uns dran, am Mikrofon nach genau feststehender Reihenfolge einen kurzen Bericht zur Presselage und zu geplanten Aktivitäten abzugeben. Thomas wies uns übrigens an, nichts allzu wichtiges preis zu geben. Große Interviews der Ministerin, solche die Pflöcke einschlagen, verschwieg man besser. Sonst pfuschte einem nachher noch der Kanzler oder der Innenminister dazwischen. Heute hatte Christian Arns den Job am Mikro, Thomas und ich saßen daneben.
Auf der Seite des Bundespresseamts leitete heute Charima Reinhardt die Sitzung. Sie ging die Aufmacher und Meldungen des Tages kurz durch. Zu diesem Zeitpunkt machte gerade ein Medikament einige Schlagzeilen, RU 486, auch bekannt unter dem Markennamen Mifegyne, mit dem man einige Tage „danach“ eine Schwangerschaft abbrechen kann. Die Debatte drehte sich um ethische Fragen des Umgangs mit einem solchen Werkzeug. Dieses Vorwissen setzte Frau Reinhardt natürlich voraus. Sie sagte bloß einen Satz: „Ich habe ein bisschen Bauchschmerzen wegen der Mifegyne.“
Blitzschnell drückte Christian den Sprechen-Knopf und sagte: „Das tut mir leid mit den Bauchschmerzen.“
Ich weiß nicht, wie die Sprecherkollegen in den anderen Ressorts reagierten. Vermutlich stöhnten sie auf oder schüttelten die Köpfe. Wir aber kicherten noch tagelang. Unser Chef auch.